Ontario II – Seen zum satt sehen

Nach unserem ersten langen Aufenthalt an einem Ort (Toronto) und unserem ersten Beusch haben wir alle Vorräte aufgefüllt, alles Aufgeschobene erledigt und sind nun froh wieder unterwegs zu sein. Nachdem wir auch mein Paket vom Flughafen abgeholt haben, fahren wir noch abends aus der Stadt raus Richtung Norden, bis in die Blue Mountains.

Geschenkezeit. Am nächsten Morgen wird als allererstes das Paket ausgepackt. Drin ist meine selbstgenähte und maßgeschneiderte Jacke, ein Geschenk von meiner Sisar. Leider war sie bis zum Abflug noch nicht fertig und musste deshalb mit Lufthansa Cargo versendet werden. Die Freude ist groß, denn die Jacke passt perfekt und kommt gerade rechtzeitig für den bevorstehenden Herbst!


Ausgebucht.
Unser erstes Ziel ist der Bruce Nationalpark, der an der Nordspitze der Bruce Halbinsel liegt. Bisher hatten wir noch kein einziges Mal einen Campingplatz reserviert und hatten auch in der Hauptsaison nie Probleme einen Platz zu finden. Hier sind alle Plätze ausgebucht, wir haben Pech und das Anfang September, unglaublich. Eine kleine Wanderung machen wir trotzdem und auch damit sind wir nicht allein. Die Felsen der viel beworbenen Grotte sind zwar schön, aber für unseren Geschmack zu überlaufen. Da sind wir direkt froh keinen Platz bekommen zu haben und ziehen schnell weiter.


Manitoulin Island
. Mit der Fähre Chi Chemaaun fahren wir nach Manitoulin Island im Lake Huron, der größten Süßwasserinsel der Welt. Die Fähre ist fast leer und auch auf der Insel ist wenig los, hier merken und genießen wir die Ruhe der Nebensaison. Die Wanderung am Cup und Saucer Trail war eine der schönsten Wanderungen bisher. Insbesondere, weil es einen Abenteuerabzweig gibt. Hier klettert man eine Holzleiter runter, landet zwischen zwei Felsen und läuft dann einige Meter in kompletter Finsternis durch die Felsspalte bis ans andere Ende. Hätten wir nicht andere Leute hier durchgehen sehen, wir hätten uns nicht getraut…

Im Misery Bay Park folgen wir dem Coastal Alvar Trail immer am Ufer des Sees der Weg verläuft auf Felsen nah am Wasser und immer wieder rollen die Wellen bis auf den Weg. Dank des neuen Fernglases, freundlichst geliehen von Reiner, können wir jetzt auch Seevögel beobachten. Möwen und Rohrdommeln gibt es hier zu bestaunen.

Unnötige 70 km fahren wir, als wir den Missisauga Leuchtturm im Western der Insel besuchen wollen. Leider müssen wir feststellen, dass sowohl der Leuchtturm als auch alle umliegenden Aussichtspunkte gesperrt sind. Angekündigt war das aber erst 5 km vorher mit einem winzigen Zettel am Straßenrand. Mal wieder suchen wir einen Aufkleber (meine Schwäche dafür konnte ich noch nicht aufgeben) und werden in Little Current fündig. Die Stadt ist alternativ angehaucht und wir trinken leckeren Biokaffee im netten Café. Außerdem gibt es endlich wieder Cashewkerne (ungeröstet und ungesalzen) zu kaufen, direkt daneben steht der Honig von Manitoulin-Bienen.

Insgesamt hat uns Manitoulin Island sehr gefallen. Die Insel ist Heimat von acht First Nations Gemeinden, die auch diverse kulturelle Aktivitäten anbieten. Man findet lokale Produkte wie Honig, geräucherte Forelle oder frische Felchen aus dem Lake Huron. Wild Campen ist kein Problem, es gibt viele Picknick-Plätze, Seeblick inklusive. Wir hatten Glück mit dem Wetter und konnten mehrfach schwimmen gehen.


Die Amischen.
Wir verlassen Manitoulin Island über die Straße nach Norden und fahren am Seeufer weiter Richtung Westen. An den Straßen sehen wir Hinweisschilder für Kutschen. Wir wundern uns, aber sehen kurze Zeit später tatsächlich Pferdekutschen mit Kindern der Amischen. Ursprünglich sind sie im 18. Jahrhundert aus Glaubensgründen aus Deutschland und der Schweiz ausgewandert. Niedergelassen haben sie sich in den USA und Kanada, wo sie bis heute nach ihren Traditionen leben. Sie sind stark in der Landwirtschaft verwurzelt und leben quasi ohne technische Neuerungen wie Autos oder Handys. Durch ein privates Schulsystem und eine starke familiäre Bindung, entscheiden sich die meisten Kinder freiwillig für eine Taufe, sodass die Gemeinden sogar tendenziell wachsen. Man erkennt Zugehörige leicht an ihrem Äußeren, für Männer ist ein Vollbart ohne Schnurrbart, für Frauen ein Häubchen und traditionelles Kleid vorgeschrieben. Wir kommen mit ihnen in Kontakt, als wir beim Farmers Market, ähnlich einem Hofladen, einkaufen und direkt auf Deutsch begrüßt werden. Bis heute sprechen die Amischen untereinander Pennsylvaniadeutsch, einen deutschen Dialekt mit vielen Lehnwörtern, verstanden haben wir quasi nichts.

Das Angebot beim Farmers Market ist sagenhaft: frisches Gemüse und Obst, in allen Farben und Sorten. Blumenkohl in weiß, gelb und lila; Mehl, Marmeladen und ungesüßtes Apfelmus. Ganze Hühner gibt es auf Bestellung. Da die Amischen auf alle Neuerungen verzichten, ist alles unbehandelt und ohne Zusätze, also wie vor über 100 Jahren. Die Preise sind dabei günstiger als alles was wir im Supermarkt finden, der Profitgedanke scheint hier nicht zu gelten. Wir kaufen mehr ein als wir tragen können. Bei allem was wir essen stellen wir hinterher fest, genau SO und nicht anders muss es schmecken!


Lake Superior
. Weiter Richtung Westen kommen wir an den Lake Superior (Oberer See), unser dritter „großer See“. Unterwegs gibt es zahlreiche kleine Provincial Parks, ansonsten ist die Gegend und vor allem das Ufer nur dünn besiedelt. Wahrscheinlich gibt es mehr Seeufer als Bedarf an Ferienhütten, anders können wir uns die Verkaufsschilder nicht erklären, nicht mal teuer scheint es zu sein. In Wawa finden wir dann mal wieder einen tollen Übernachtungsplatz (von iOverlander), mit Sandstrand und traumhaften Dünen, dazu Mitte September noch immer warme 20°C, da hüpfen wir doch direkt nochmal ins Wasser. Das es insbesondere abends schon abkühlt merken wir an Fingern und Zehen, die einige Zeit brauchen, bis sie wieder aufgetaut sind.

Servicestop in Sault Ste. Marie. Unglaublich, aber wir sind seit dem Start vor über 2 Monaten bereits 10.000 km gefahren und damit steht der erste Ölwechsel an. Bei Midas soll er günstig sein, aber wir hätten bis zum nächsten Tag warten müssen und gehen stattdessen zu Jiffylube. Wir kommen sofort dran, müssen aber leider das zusätzliche Öl zahlen, da es nur bis 5 L inklusiv ist. Am Ende zahlen wir 99 Dollar und nehmen uns vor, das nächste Mal besser zu planen.


Pukaskwa Nationalpark
. Es ist Nebensaison und alles wird günstiger, so auch das Campen im Pukaskwa Nationalpark. In Kauf nehmen muss man dafür, dass das Wasser bereits abgestellt ist und es somit keine Duschen mehr gibt. Entschädigt werden wir wieder mit tollen Stränden, an denen unglaubliche Mengen Treibholz gespült werden. Abends lernen wir zwei Deutsche kennen, Jonas und Lena, mit denen wir den Abend am Lagerfeuer sitzen und Reisegeschichten austauschen.


Kakabeka Falls
. In Thunder Bay nutzen wir das sehr schnelle Wifi-Angebot im Besucherzentrum, sogar Sessel und Steckdosen gibt es, das wird ausgenutzt. Danach geht es noch zu den Kakabeka Falls, direkt hinter den Niagara-Fällen sollen sie sich einreihen. Schön sind sie schon, aber spektakulärer hätten wir sie uns vorgestellt. Außerdem muss eigens für die Besichtigung ein Ticket gekauft werden, zum Glück kann man stundenweise zahlen.

Ontario. In Thunder Bay, unser letzter Stopp in Ontario, verabschieden wir uns von den großen Seen und von der Provinz. Immerhin haben wir hier bisher die längste Zeit verbracht (25 Tage). Gefallen hat es uns insgesamt sehr gut, vor allem der Algonquin Park und die Nähe zu den großen Seen. Aber, im Gegensatz zu der ausgesprochenen Freundlichkeit der Leute an der Atlantikküste, haben wir viele „Ontarianer“ als etwas mufflig erlebt. Als sehr positiv haben wir die Abschaffung der kostenlosen Plastiktüten an der Kasse empfunden. Zwar fanden wir gepackte Lebensmittel und gratis Tüten durchaus praktisch, aber eine mehrfache Benutzung war aufgrund der schlechten Qualität sowieso fast unmöglich. Deshalb wird von uns und vielen Kanadiern die eigene Tasche mitgebracht. Übrigens sehen wir auch Pfand für die Einkaufswagen im Supermarkt hier zum ersten Mal.

Weiter in den Westen fahren wir von Thunder Bay aus auf der Route 17, außer Wald gibt es nichts zu sehen. Unser nächstes Ziel ist die Provinz Manitoba, hier freuen wir uns vor allem auf den Riding Mountain Nationalpark. Was wir sonst noch entdecken, erfahrt ihr im nächsten Bericht…

Reisezeit: 10.9.16 – 18.9.16
Gefahrene Kilometer: 2325 km

Bruce Nationalpark – Kakabeka Falls – Lake Huron – Lake Superior – Manitoulin Island – Pukaskwa Nationalpark

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