Mexiko II – Baja California Sur

…zum ersten Mal verweilen wir einen ganzen Monat an ein und demselben Ort. San Juanico an der Pazifikküste hat uns in seinen Bann gezogen. Wieso, und vor allem wie wir die Zeit dort verbracht haben erzählen wir euch hier…

Gabel-Antilopen und Gastfreundschaft in Guerrero Negro

Zwischen den beiden Teilen der Baja California gibt es tatsächlich eine Art Grenzstation, bei der sogar das Fahrzeug “desinfiziert” werden soll. An die Wirkung des seichten Sprühnebels glauben wir zwar nicht, aber was solls. Direkt hinter der Grenze liegt Guerrero Negro, eine Stadt die hauptsächlich für die Grauwale bekannt ist, die hier in den Wintermonaten ihren Nachwuchs zur Welt bringen, außerdem befindet sich hier ein großes Salzgewinnungsgebiet. Da momentan keine Walsaison ist, nutzen wir die Infrastruktur lediglich um endlich eine mexikanische Sim-Karte zu besorgen. Schnell und einfach können wir nach zwei Minuten im Telcel-Netz surfen. Einen großen Supermarkt suchen wir allerdings vergeblich, in einem Mini-Markt gibt es das Nötigste und frisches Obst und Gemüse kaufen wir einfach am Straßenrand ein.

Nachmittags beschließen wir die Nacht hier zu verbringen und gehen ins Ojo de Liebre Restaurant, bei dem wir auch gleich gratis im Hinterhof campen dürfen. Meine bestellte Meeresfrüchte-Suppe sollte zwar nur ein kleiner Snack sein, aber meine Schüssel ist bis zum Rand mit Garnelen, Tintenfischen und einem riesigen Krebs gefüllt, Wahnsinn! Als wir uns am nächsten Morgen von dem Hausherrn Sergio verabschieden wollen, fragt er neugierig was wir heute noch vorhaben und empfiehlt uns dann die Besichtigung eines Gabel-Antilopen-Reservats. Klingt interessant finden wir, und als wir gerade losfahren wollen, bietet Sergio an uns zu begleiten und lädt uns kurzerhand in sein Auto ein. Nur 10 Minuten später biegen wir von der Hauptstraße ab, das verblasste Schild ist kaum zu erkennen und alleine hätten wir es bestimmt übersehen. Nach einem Stück Schotterstraße stehen wir dann vor einem verschlossenen Tor. Irgendwie sieht das Haus dahinter so gar nicht nach offiziellem Schutzprojekt aus, auch auf dem Gelände scheint niemand zu sein. Wir hupen und warten. Irgendwann kommt tatsächlich ein Mitarbeiter, der nur unterwegs war, um die Tiere zu füttern. Schnell werden wir auf seinen Pick-Up umgeladen und fahren zum ersten Mal „mexikanisch“ Auto – nämlich einfach auf der Ladefläche vom Pick-Up. Mitten im Gehege steigen wir aus und kommen den Tieren dann ganz nah. In der nächsten Stunde erfahren wir viel über das Projekt und die Tiere, so gut wie möglich versuchen wir die spanischen Erklärungen zu verstehen. Einst waren Gabel-Antilopen weit verbreitet in diesem Gebiet, wurden aber immer weiter zurückgedrängt und kurz vor dem Aussterben wurde schließlich das Projekt vor 6 Jahren gestartet. Die Zahl der Tiere ist mittlerweile von 33 auf über 100 Tiere gestiegen, berichtet der Projektleiter stolz. Dank Zufütterung von gehaltvollem Alfalfa werden die Tiere hier auch deutlich älter als in freier Wildbahn, ohne zusätzliches Kraftfutter wäre das trockene Gras nicht nährhaltig genug. Uns hat der spontane Besuch sehr gefallen. Ein Museum mit Ausstellung ist in Planung, aber schon jetzt kommen Schulklassen und Universitäten aus dem ganzen Land hierher, um die Gabel-Antilopen zu besuchen.

Nach diesem unerwarteten Ausflug denken wir schon, es würde zurück zum Restaurant und unserem Auto gehen, aber Sergio schlägt noch einen Abstecher zum Strand vor, hier will er uns nämlich die weißen Dünen zeigen, eine häufig verwendete Filmkulisse.

Die weltweit größte Meersalzgewinnungsanlage hätte uns auch sehr interessiert. Rund sieben Millionen Tonnen Salz werden hier jährlich produziert. Leider gibt es am Wochenende keine Führungen und natürlich ist genau heute Samstag. Obwohl Sergio extra nochmal für uns in der Firma anruft haben wir Pech. Bis Montag wollen wir dann doch nicht warten. Am frühen Nachmittag verabschieden wir uns dann und wollen zumindest mal beim Vorbeifahren einen Blick auf die Saline werfen. Als wir vor dem Tor stehen, eilt auch schon der Sicherheitsbeamte heran und präsentiert uns stolz die überall herumliegenden Salzkristalle. Mitnehmen dürfen so einen Klumpen zwar nicht, aber gegen ein Trinkgeld würde er kurz wegschauen. Als wir sein Angebot ausschlagen wirkt er ein bisschen enttäuscht, wahrscheinlich hatte er schon sein großes Geschäft gewittert.

In der Ojo de Liebre Bucht bieten sich zur passenden Saison (Dezember – März) gute Möglichkeiten Grauwale mit ihrem Nachwuchs ganz nah zu erleben. Momentan sind die Wale allerdings schon auf dem Weg nach Alaska, wo sie den Sommer verbringen. Auch wenn wir Walbeobachtungen kritisch gegenüberstehen, wird hier auf nachhaltigen Tourismus geachtet. Ihren Namen (Auge des Hasen) hat die Bucht, weil hier früher die Wale sehr einfach gefangen werden konnten, dann war die ganze Bucht angeblich so blutrot, wie das Auge eines Hasen.

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Ein lohnenswerter Abstecher nach Bahia Tortugas

Auf der Vizcaino-Halbinsel wollen wir versuchen, nochmal einen Platz am Strand zu finden, um ein paar Tage zu verweilen, vielleicht auch zu surfen. Die Recherche ergibt nicht viel, offenbar fährt hier kaum jemand bis an die Landspitze nach Punta Eugenia, das ist ja schon mal vielversprechend. Eine Schotterstraße bringt uns in der Abenddämmerung zum äußersten Punkt der Halbinsel und wir nächtigen auf einer Klippe direkt am Meer. Morgens fahren wir bis zum Ende der Straße, an der Küste tummeln sich Seevögel, ansonsten ist in dem Fischerdorf nicht viel los. Später erfahren wir, dass die Hummer-Saison noch nicht begonnen hat und auch die Anzucht- oder Reinigungsstation für Abalones (Seeohren) ist momentan noch nicht in Betrieb. Trotz schöner Kulisse zieht es uns weiter und wir landen nachmittags in Bahia Tortugas. Nach einem üppigen Hamburger zur Stärkung im einzigen „Restaurant“ der Stadt und einem netten Gespräch mit dem Besitzer, finden wir keine 10 km weiter südlich unseren Stellplatz für die nächste Woche. Mal wieder wohnen wir direkt auf dem Sandstrand, das Meer keine 50 m entfernt. Schnell bauen wir alles auf was wir haben – unter der Markise wird das Freiluft-Büro errichtet, hinter dem Auto die Feuer- und Backstelle. Jeden Morgen und jeden Nachmittag beobachten wir die Delfine in der Bucht. Nicht selten kommen auch ganze Vogelschwärme dazu, die sich hier sattessen. Endlich kommen wir mal wieder zum Brot backen, mit dem kanadischen Sauerteig zaubern wir leckeres Roggenbrot aus dem Dutch Oven. In der gesamten Woche sehen wir nur 3 Autos in der Ferne auf der Straße fahren, und das auch nur, weil sonntags eben viel Verkehr ist.

Ganz nebenbei rückt auch unser 1-jähriges Reisejubiläum näher. Ein Jahr sind wir schon unterwegs, kaum zu glauben. Gemütlich sitzen wir am Lagerfeuer und lassen alle Erlebnisse des letzten Jahres noch einmal Revue passieren. 365 Tage, für jeden einzelnen sind wir dankbar!

Leer gegessene Schränke lassen uns einen Ausflug nach Bahia Tortugas unternehmen. Wir finden eine Carnicería, die Regale sind zwar leer, aber der Besitzer bietet uns Trockenfleisch (Machacas) an. Wir dürfen probieren und als er noch ein Päckchen selbstgemachte Tortillas von seiner Frau hervorholt, können wir gar nicht mehr nein sagen. Wir plaudern noch einen Moment und als wir nebenbei fragen, ob es in der Stadt ein offenes Wlan-Netz gibt (Handyempfang gibt es nämlich nicht), bietet er uns kurzerhand an, in seinem Netz zu surfen. Auf der schattigen Veranda machen wir es uns gemütlich und dürfen bleiben solange wir wollen. Mexikanische Gastfreundschaft vom Feinsten! Im Supermarkt lernen wir dann noch Sofia kennen, mit der wir gleich für ein Foto vor dem Auto posieren müssen. Sie will unbedingt ihr Englisch verbessern und würde am liebsten erst Mexiko und dann die ganze Welt bereisen. Im Oktober sollen wir wiederkommen, denn dann ist Hummer-Saison und es findet ein großes Halloween-Fest statt, bei dem das ganze Dorf feiert und tanzt, im Haus von ihrem Vater sind wir dazu herzlich eingeladen. Wir fühlen uns sehr willkommen in diesem kleinen Dorf, offensichtlich sind wir hier die ersten Touristen seit langer Zeit, die von allen Seiten neugierig beäugt werden.

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Oase San Ignacio

Der Abschied vom Strand fällt schwer, wer weiß, ob wir so einen tollen Platz nochmal finden? Traurig ziehen wir weiter bis Rancho Gustavo Díaz Ordaz. Bei einer leckeren (mehr oder weniger italienischen) Pizza sieht die Welt aber schon wieder besser aus. Auch der RV Park hebt die Stimmung durch Internet und Duschen. Außerdem treffen wir auf eine Tschechin, die die Baja von Norden nach Süden mit dem Fahrrad bereist. Für den nächsten Tag in San Ignacio verabreden wir uns wieder für den gleichen Campingplatz und haben zwei lustige Abende in netter Gesellschaft. Tschechien ist zwar nicht Deutschland, aber Europa eint uns doch gegen Amerika und der Gesprächsstoff geht nicht aus.

San Ignacio überrascht uns mit seinen grünen Dattelpalmen und der Lage am See, nach der Zeit in der Wüste hatten wir fast schon vergessen, wie schön Grün sein kann! Auch die Jesuitenkirche aus dem Jahr 1786 Misión San Ignacio de Kadakaamán mit seinem schön angelegten Gärtchen gefällt uns gut. Der schattige Platz unter Lorbeerbäumem, ist der ideale Ort für eine Limonade und den vielen Dattelpalmen sei Dank verspeisen wir hier gefüllte Datteltaschen zu Mittag.

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San Juanico – alles was wir brauchen

Um der Hauptstraße zu entfliehen, wollen wir eine Abkürzung an der Pazifikküste nehmen, um nach San Juanico zu kommen. Also geht es mit Hilfe von Satellitenbildern auf Schotterstraßen und durch Sand Richtung Süden. Die Straßen sind kein Problem für uns, aber mitten im Sand treffen wir dann auf zwei kalifornische Autos, die sich festgefahren haben. Wir ziehen sie ein Stück aus dem Sand und geben ihnen den Tipp, den Reifendruck zu senken, damit klappt es dann gleich besser und sie machen sich dankbar auf den Weg.

San Juanico ist unser erster richtiger Surfspot und die Scorpion Bay hat gleich sieben verschiedene Punkte, an denen die Wellen brechen. Anfänger und Profi, für jeden ist etwas dabei. Oft hören wir, es sei der beste Ort in Nordamerika, um Surfen zu lernen! Am zweiten Punkt (2nd point) sind die Wellen flach und vor allem lang genug, um Aufstehen und Fahren zu üben. Tagsüber stehen wir also am Surfspot, nachts fahren wir auf die andere Seite der Bucht, um gratis und ruhig in den Dünen zu schlafen. Wir tauchen vollends ein in die Welt des Surfens, jeweils zwei bis dreimal am Tag gehen wir abwechselnd aufs Brett, die Gezeiten und Wellen bestimmen unseren Tagesablauf. Die Tage vergehen wie im Flug und nach zwei bis drei Wochen machen wir (endlich) sichtliche Fortschritte. Es sind aber nicht allein die Wellen, die uns hier so lange verweilen lassen. Das Dorf lebt von den Fischern und vom Tourismus. Zwar gibt es ein paar kleine Hotels, aber eben keine Hotelburgen direkt am Meer, wie man sie sonst so kennt. San Juanico hat weder Handyempfang noch Strom, nur einen Generator, der tagsüber läuft. Wasser wird per LKW geliefert. Keine Pemex-Tankstelle und keine Supermarkt-Kette haben es bisher hierhergeschafft und eine Bewegung im Dorf sorgt dafür, dass es so bleibt. Einen Surfshop gibt es, man muss allerdings sehr viel Glück haben hier jemanden anzutreffen, meistens heißt es „tarde“, später. Oder auch nicht. Wir haben dank deutscher Hartnäckigkeit beim ca. 8.-9- Mal Glück. Tourismus gibt es zwar, aber der große Boom ist bisher ausgeblieben. Viele Grundstücke stehen zum Verkauf, die Preise sind so überschaubar, dass wir ins Grübeln kommen, ob das nicht ein Ort für uns wäre.

In unserem Lieblingsrestaurant „Gloria“ kommen wir eines Tages mit dem Bruder der Besitzerin ins Gespräch. Nachdem er sich mehrfach versichert, dass wir Deutsche sind und nichts mit den USA zu tun haben, setzt er sich zu uns. Er arbeitet in Guerrero Negro in der Saline. Als Till weiß, dass Mitsubishi Anteile der Firma gekauft hat ist er ganz aus dem Häuschen. Schnell holt er das Jubiläumsbuch der Firma hervor und wir bekommen den Prozess der Salzgewinnung ganz genau erklärt. Bei einer Luftaufnahme stellt sich dann heraus, dass er uns zwei Wochen zuvor vor der Firma hat herumfahren sehen. Wir erinnern uns, genau zur Feierabendzeit dort gewesen zu sein. Wir amüsieren uns über diesen Zufall und bekommen sogar eine Kappe von ihm geschenkt.

Wir lernen den deutschen Fotografen Heinz kennen, der hier seit über 10 Jahren mit seiner Tochter wohnt, erst im Schulbus, mittlerweile baut er ein Haus. Überhaupt lernen wir hier so viele nette Leute kennen, wie noch nie an einem Ort. Abends werden wir zu Lagerfeuer und Lava-Kuchen eingeladen, mittags haben wir Verabredungen zum Essen. An unserem Strand backen wir zum ersten Mal Zimtschnecken, zum Glück gibt es genug Leute zum Teilen. Meistens sind es Kalifornier, die hierher fahren zum Urlaub machen, ein Filmproduzent und Bestseller-Autor, eine 6-köpfige Familie die bald zum einjährigen Segeltörn aufbricht, ein Deutscher, der in Mexiko arbeitet, brasilianische Reisende und so viele mehr. Uns wird es jedenfalls nicht langweilig. Alle laden uns nach Kalifornien ein, leider ist es für den Moment die falsche Richtung…

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Eine Woche wollten wir ursprünglich in San Juanico bleiben. Fünf sind es letztendlich geworden. Wir haben die lange Zeit an einem Ort genossen. Oft werden wir von anderen Reisenden für unsere langsame Art des Reisens belächelt. Dabei kamen wir so endlich mal wieder zum Ausprobieren neuer Rezepte, Marmelade kochen, Lesen, Spanisch lernen und vor allem zum Surfen lernen. Für uns sind das genau die Dinge, für die wir auf Reisen Zeit haben wollten. All das hätten wir aber nicht in den normalen Reisealltag integrieren können, der meistens doch „stressiger“ ist als man anfangs denkt. Es bleibt eine Zeit, an die wir noch lange zurückdenken werden.

Aufbruchstimmung

Irgendwann werfen wir einen Blick in den Kalender und stellen fest, dass wir uns langsam aber sicher auf den Weg machen müssen. Immerhin wollen wir Ende September in Mexiko-Stadt sein. Auf der Südroute warten La Paz, die Künstlerstadt Todos Santos und Schnorchelplätze auf unseren Besuch. Das denken wir zumindest, denn wie immer kommt alles anders als wir denken…

 

Reisezeit: 30.6.17 – 20.8.17

Guerrero Negro – Bahia Tortugas – San Ignacio – San Juanico

Eine Antwort zu “Mexiko II – Baja California Sur”

  1. Hola Katrin y Till.
    Muchas Gracias por su Informe de viaje. Esta muy interesante y las Fotos preciosos. La amabilidad de los Habitantes en Mexico son enorme.
    Tambien mis experiencias en Mexico son iguales.
    Creo que a mi tambien el Ambiente , o el Corazon de San Juanico me parecia como a Ustedes. Yo puedo sentir como les Gusto ese lugar. Estoy leyendo entre las palabras. Y lo siendo mucho que no conozco ese lugar tan linda. Pues, todavia no.
    Ahorita les deseo mucha suerte para que conozcan otros regiones bonitos y interesantes.
    Cuidense mucho y anden siempre von ojos y Corazones abiertas. Asi se puede conocer todo el mundo, como es la verdad.
    Un abrazo
    Ulli

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