USA III – Frühlingserwachen in Utah

Nach dem eisigen Yellowstone Park wollen wir nun den Winter hinter uns lassen und fahren Richtung Süden nach Utah. Auf dem Weg kommen wir zunächst durch die Wildwest- und Rodeostadt Cody, die nach dem berühmten Mitgründer „Buffalo Bill“ benannt wurde. Dass der vermeintliche Büffeljäger und Armeekundschafter eigentlich Bison Bill heißen müsste interessiert hier allerdings niemanden. Im Winter ist hier ohnehin wenig los und da es früh morgens ist, zieht es uns auch nicht in den Saloon, also lieber weiter, denn auf uns wartet ja heute noch eine besondere Stadt.

Zufällig habe ich auf der Karte nämlich eine kleine Stadt namens Kemmerer entdeckt. Kann das ein Zufall sein? Natürlich wollen wir unbedingt dorthin und gucken wie es so ist, in der „eigenen“ Stadt. Schnell wird klar, dass die Hoffnung auf eine lebendige und moderne City zu treffen nicht erfüllt wird. Ganz im Gegenteil, wir finden nicht mal ein Café und schneller als wir gucken können sind wir schon wieder am Ortsausgang der „Stadt“ angekommen. Die Gebäude schienen alt und zerfallen und es gab niemanden, der sich für die Namensgleichheit interessiert hätte. Der Wind bläst durch die Straßen und wir flüchten so schnell wie möglich. Immerhin, ein Bild mit dem Ortsschild machen wir noch schnell.

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Weiter fahren wir Richtung Salt Lake City, wo wir heute unbedingt noch ankommen wollen. Allerdings hatten wir nicht mit dem Pass auf über 2600 m gerechnet, den wir bei schlechten Bedingungen überqueren müssen. Die Rocky Mountains ziehen sich eben doch durchs ganze Land und wir waren nun mal auf der östlichen Seite. Nebel, Glatteis und Schneefall begleiten uns, die Räumarbeiten sind in vollem Gange, aber richten wenig aus. Bei einem unüberlegten Drehmanöver stecken wir plötzlich mit den Vorderrädern im Tiefschnee und stehen quer auf der Straße. Zum Glück reagieren wir schnell genug, rennen raus um die Naben festzustellen und das Allrad lässt uns gerade noch vor dem LKW wieder auf unsere Spur fahren. Bei diesen Bedingungen wundern wir uns nicht mehr, dass hier im Winter so viele Straßen gesperrt sind.

Frühlingserwachen in Salt Lake City

Im Dunkeln passieren wir unbemerkt die Grenze zum Bundesstaat Utah, Salt Lake City erwartet uns mit einem 24 h geöffneten Walmart. Zum ersten Mal seit Langem können wir ohne uns warm einzupacken wieder nach draußen und schlafen nachts sogar ohne Mütze und ohne Heizung, ungewohnt und herrlich. Gleich am nächsten Morgen fahren wir in die Innenstadt und decken uns mit Informationsmaterial ein. Schnell merken wir, dass es in der Umgebung einiges zu tun gibt und wir unsere Amazon-Bestellung in Auftrag geben können. Die Poststelle nimmt unser Paket gerne entgegen, natürlich gebührenfrei.

Im Becken des Great Salt Lake haben sich in den 1840ern die Mormonen (Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage) niedergelassen, noch immer ist der Temple Square ihr religiöses Zentrum und Hauptquartier. Mittelpunkt ist der Granit-Tempel, der in 40 Jahren Schwerstarbeit erbaut wurde, betreten ist allerdings verboten. Dafür wohnen wir einem Orgelkonzert und einer beeindruckenden Akustik-Demonstration im muschelförmigen Tabernacle bei. Das Fallen einer Nadel ist tatsächlich im ganzen Gebäude zu hören.

Auf dem ganzen Gelände tummeln sich Missionare, auffallend viele junge (hübsche) Mädchen, die die Lehre der Mormonen verbreiten wollen. Führungen werden in nahezu allen Sprachen angeboten, auch ein Freiexemplar des Mormonenbuches in deutscher Sprache gibt es. Wir schauen uns erstmal alleine um, denn bekehren lassen wollen wir uns nicht. Dann siegt aber doch die Neugier und wir kommen mit einigen „Schwestern“ ins Gespräch. Über ein Jahr in einem fremden Land ist man als Missionar gebunden, Monate ohne Privatsphäre wird in zweier Teams gearbeitet und das 14 h am Tag, 6 Tage die Woche. Um sich das leisten zu können sparen viele jahrelang, denn immerhin 10.000 Dollar müssen von den meist 19jährigen selbst beigesteuert werden. Wieso gibt es so viele junge Menschen, die ihr Leben ganz dem Glauben widmen und dabei auf Kaffee, Alkohol und Sex vor der Ehe verzichten? Viele Familien sind schon seit Generationen Mormonen, in Utah sind es 60% der Bevölkerung, für Kinder ist es somit erstmal selbstverständlich als Mormone aufzuwachsen. Schwester Wagner aus Mexiko gesteht uns, dass sie die Religion bis sie 14 war nicht ernst genommen hat. Dann hat sie von sich aus das Buch der Mormonen gelesen, ihren Glauben gefunden und ist jetzt hier am Temple Square, ihre Begeisterung ist ihr sichtlich anzusehen. Interessanterweise gehen die meisten Mormonen in ihrem Glauben gestärkt aus der Missionarszeit hervor, auch ein älterer Mann erzählt uns stolz von seiner Zeit in Brasilien.

Im modernen und großen Kinosaal gucken wir dann zwei Kurzfilme der Reihe „Meet the Mormons“. Die Filme beschreiben das ganz normale Leben zweier Mormonen, die Rolle der Familie steht dabei im Vordergrund. Eine Familie mit klassisch aufgeteilten Rollen ist dabei im Sinn der Kirche. Kein Wunder, das wir in ganz Utah kinderreichen Familien begegnen. Auch ansonsten ist Utah konservativ geprägt. Klingt alles ganz gut? Aussteiger und Kritiker des Mormonentums benennen die gegenseitigen Kontrollen der Mitglieder durch Bibelstudien und Hausbesuche als problematisch. Auch wird ein Engagement innerhalb der Gemeinde vorausgesetzt, wodurch ein immenser Druck auf den Mitgliedern lastet. Außerdem ist die fehlende Toleranz gegenüber Homosexualität Bestandteil der Kritik.

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Stadtleben

In Salt Lake City nutzen wir den naheliegenden IKEA meist für eine Frühstückspause. Vom schwedisch-amerikanischen Frühstück sind wir den ganzen Tag satt und können so viel Kaffee und Cappuccino schlürfen bis wir schon nervös werden, Konkurrenz am nagelneuen Kaffeeautomaten gibt es hier zumindest nicht. Wir machen Besorgungen aller Art und klappern Baumärkte und Autoläden ab um dieses oder jenes zu verbessern. Mittags gönnen wir uns sogar mal einen Besuch in der Cheesecake Factory. Nach der Anmeldung an der Theke bekommt man einen Pieper und wartet auf einen freien Tisch. Außer uns scheint es auch niemand komisch zu finden über eine halbe Stunde auf einen Tisch zu warten. Das Essen muss ja wirklich gut sein, denken wir. Hunger und Erwartungen steigen mit jeder Minute. Das Essen ist in Ordnung, aber nichts Besonderes. Die Käsekuchen-Auswahl hingegen ist riesig. Für einen Tiramisu-Käsekuchen entscheiden wir uns und sind begeistert, der Laden hat seinen Namen verdient, nochmals auf einen Tisch zu warten wäre uns allerdings zu blöd.

Begegnungen aller Art erleben wir auf dem Walmart-Parkplatz . Ein scheinbar normaler Mann spricht uns an und erzählt, dass er schon seit 6 Monaten in seinem Auto wohnt, nachdem er seinen Job verloren hatte. Offenbar ist es schwierig ohne festen Wohnsitz einen neuen Job zu bekommen und eine Wohnung ohne festen Job. Mit Gelegenheitsarbeit hält er sich über Wasser. Mit 29 Jahren würde er gerne eine Familie gründen, aber auch eine Frau lernt er so leider nicht kennen.

Ausflug nach Antilope Island

Ein lohnenswerter Ausflug soll die Antilopeninsel sein. Über eine Straße erreicht man die Insel, zwar kostet die Insel Eintritt allerdings ist bei dem Betrag von 15 USD schon der Campingplatz mit drin, also erwartet uns ein günstiger Spaß. Schnell gewinnt die Insel uns für sich. Graslandschaft weit und breit, gegenüber der Blick auf Salt Lake City und die dahinter liegenden Rocky Mountains. Kaum Verkehr ist auf der Insel, dafür sehen wir „Antilopen“, die eigentlich gar nicht zu den echten Antilopen gehören. Hier werden sie pronghorn oder Gabelantilope genannt. Die Insel eignet sich ansonsten bestens um zu wandern, vor allem da der ganze Schnee in den letzten Tagen weggetaut ist und das Wetter mitspielt. Die Nacht ist allerdings sehr windig und das Schlafen im Dach fast unmöglich. Auch den nächsten Tag verbringen wir noch gemütlich auf der Insel, abends genießen wir den Sonnenuntergang am Strand bevor wir zurück in die Stadt fahren.

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Freud und Leid im Sand – Little Sahara

Nachdem wir schließlich auch unsere Amazon-Pakete bei Post und UPS-Station abholen konnten verlassen wir die Stadt Richtung Süden. Im Dunkeln kommen wir an der Little Sahara Recreation Area an und suchen uns einen schönen Schlafplatz in den Dünen. Am nächsten Tag lädt die Sonne zum Draußensein ein und das Wetter wird für den dringend nötigen Outdoor-Friseurbesuch genutzt. Endlich wird meine Mähne gebändigt, das Ergebnis ist fürs erste Mal schon recht brauchbar, wenn auch nicht ganz perfekt.

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Dann erkunden wir das Gebiet, in dem 150 m hohe Dünen und zahlreiche Offroad-Strecken auf uns warten. Auf die große Düne wagen wir uns erst gar nicht, aber daneben gibt es ein flaches Gebiet mit weniger gefährlichen Wegen. Wir spielen im Sand, Till und das Hottahü haben sichtlich Spaß. Auch lernen wir hier einen netten Mormonen kennen, der mit seiner Kirchengemeinde einen Ausflug zum ATV-Fahren (Quad) hierher macht. Wir bekommen viele Routentipps für unsere weitere Reise durch Utah und er versichert uns, dass sie genug Leute sind um uns rauszuziehen, falls wir im Sand feststecken sollten. Nicht gedacht hätten wir allerdings, dass wir eine Stunde später tatsächlich festsitzen. Die schmalen Wege waren doch etwas zu schmal und wir wohl etwas zu schwer, sodass wir plötzlich an einer völlig unscheinbaren Stelle mit den beiden linken Reifen in der Böschung hängen. Wir steigen aus und sondieren die Lage. Das ganze Fahrzeug ist um 25° geneigt, gefühlt kurz vorm Umkippen, obwohl technisch noch viel mehr möglich wäre versichert Till um uns zu beruhigen. Kein Baum weit und breit, wäre ja auch zu schön gewesen. Also ran die Schaufel. Erstmal untergraben wir die rechte Seite um die bedenklichen Schräglage auszugleichen. Dann graben wir einen Kanal für jeden Reifen um das Auto in die richtige Richtung zu lenken und nutzen zum ersten Mal die neuen Tred-Sandbleche. Den Luftdruck senken wir auf nur noch 0,7 bar – Notfalldruck. Zur Sicherheit stelle ich mich außen auf das Trittbrett, dann versuchen wir loszufahren. Gleich beim ersten Versuch klappt es und wir fahren ein Stück nach oben, Glück gehabt. Ein zweites Mal graben wir und legen die Sandbleche nach, dann ist es geschafft! Blöd nur, dass wir noch immer von Sand umgeben sind und nach dem Desaster auf der Hinfahrt jetzt alle kleinen Hügel unpassierbar scheinen. Waren die auf der Hinfahrt auch schon so steil? Alles scheint weich und abschüssig, der Sand ist doch durch die Mittagssonne weicher geworden, oder? Einige Male fahren wir querfeldein um kritische Stellen zu umgehen, mehrfach stockt der Atem und dann endlich erscheint der Schornstein vom WC-Häuschen hinter der Düne, geschafft! Endlich wieder Asphalt unter den Rädern und auf dem Parkplatz wird erstmal was gegessen, das hatten wir bei der ganzen Ausgrabungsaktion total vergessen. Bei nächster Gelegenheit wollen wir von zwei auf vier Bleche aufstocken, da hätten wir uns deutlich wohler gefühlt. Auch wenn wir (erstmal) genug vom Sand haben, bleiben wir noch eine Nacht auf dem schönen Campingplatz. Draußen kochen und essen, was für ein glückliches Ende eines aufregenden Tages.

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Weiter zieht es uns schließlich in den Süden Utahs. Ob wir hier vernünftiger geworden sind und dem Offroad-Paradies rund um Moab widerstehen konnten? Bald erfahrt ihr mehr…

Reisezeit: 06.02.17. – 16.2.17

2 Antworten auf “USA III – Frühlingserwachen in Utah”

  1. barbara und reiner 2. März 2017 um 19:41 Uhr

    Ihr Lieben,
    HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH zum GEBURTSTAG
    Heute abend brennt eine Laesö-Kerze in einem Kerzenhalter aus New Hampshire für Euch beide.
    Ihr habt wahrscheinlich erstmals in Eurem jungen Leben das Privileg ohne den ganzen Clan auf der
    Pelle in trauter Zweisamkeit feiern zu dürfen, gelle?
    Geniesst es.
    Wir vermissen Euch sehr, und werden es keinesfalls zulassen, dass Ihr nochmals in diesen Genuss kommen werdet. Versprochen!
    Mit Krokodilstränen in den Augen
    Barbara und Reiner

    Antworten

    1. Hallo ihr Lieben,
      vielen Dank für die Glückwünsche aus der Ferne. Wir haben uns an unserem Tag durch die kulinarischen Genüsse Albuquerques geschlemmt, da durften auch zwei Geburtstagskuchen und Kuchen-Picknick nicht fehlen! Auf die Einlösung dieses Versprechens freuen wir uns natürlich sehr, in großer Runde ist Kuchen essen doch auch fein.
      Viele Grüße von den Geburtstagskindern

      Antworten

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